Fischer Transalp 2022 Tourentagebuch

Nach einem Jahr coronabedingter Pause, starten wir heute die mittlerweile elfte Fischer Transalp 2022. Zusammen mit sechs Teilnehmer:innen aus Italien, Frankreich und Österreich beginnen wir den Aufstieg durch das Suvretta da San Murezzan. Ein nie enden wollendes Tal, dass uns zum Fuorcla Suvretta auf 2.966 Meter führt.

Sonnenschein und frisch gefallener Neuschnee lässt unser Skifahrer Herz bei der anschließenden Abfahrt ins Cum. da Bever höherschlagen. Hannibal Tourenski gepaart mit dem neuen Transalp Pro Tourenschuh, sind wohl das perfekte Setup, um diese rasante Abfahrt in Angriff zu nehmen.

Nun folgt ein weiterer kräfteraubender Anstieg zum Fuorcla da Chembels. Um Skitouren auf über 3.000 Metern Höhe gehen zu wollen, sollte man gut trainiert sein. Wir sind es. Darum ist auch die zweite Abfahrt des heutigen Tages ein voller Erfolg. Perfekter Pulverschnee, Sonnenschein, eine coole Truppe und genügend übrige Körner, lassen uns ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern.

Nun schlagen wir nach über 20 Kilometern und 1.700 Höhenmetern unser Nachtlager in Preda auf und hoffen auf weitere geniale Tage, wie heute.

Chants, ein einsames kleines, im Winter unbewohntes Dorf am hintersten Ende des Val Tuors. Der heutige Startpunkt für die zweite Etappe der Fischer Transalp 2022. Auch wenn mittlerweile April eingekehrt ist, lassen die Schneemassen es nicht zu, mit unseren Fahrzeugen dieses besagte „Dörfli“ zu erreichen. Also haben wir bereits 5 Kilometer und 350 Höhenmeter in den Beinen, als wir inmitten der wenigen Häusern von Chants stehen – außer uns keiner zu sehen.

Drei Optionen haben unsere Bergführer heute Morgen bekanntgegeben. Nun entscheiden wir uns mitten im Dros Val da Ravais für die Sicherste. Schneefall und sehr warme Temperaturen machen die heutige Tour gefährlich. Die Sicht ist teilweise auf 20 Meter beschränkt, der Schnee ist weich und tief.

Vom Bergüner Furgga, einem Passübergang auf 2.740 Metern, geht es teilweise über Bruchharsch hinunter ins Chüesalptal. Dazwischen finden wir aber auch immer wieder sehr gute Schneeverhältnisse und auch sie Sonne grüßt hier und dort durch die dichte Wolkendecke. Nun befinden wir uns in Davos und blicken auf einen spannenden Tag zurück. Freud und Leid sind oft nicht weit voneinander entfernt.

Heute gleich mal 700 Höhenmeter mit dem Skilift in Richtung Pischahorn – dachten wir.  Die Schweizer Skiliftbetreiber haben jedoch bereits ihre Füße hochgelagert und somit tritt für uns Plan B in Kraft. Anfellen in Dörfji!

Mit dem Lift wäre diese Strecke in fünf Minuten erledigt, zu Fuß, besser gesagt auf Skiern, brauchen wir eineinhalb Stunden bis zur Bergstation der Pischabahn. Für uns nicht schlimm, am Himmel ist keine einzige Wolke zu sehen, das Panorama atemberaubend schön und der Aufstieg somit kurzweilig. Auf 2.593 Metern überwinden wir den Pischagrat und stoßen in ein Nebental vor, dass den Namen „Verborgen Pischa“ trägt.

Nun ist es nicht mehr weit. Über eine bis zu 40 Grad steile Schneeflanke erreichen wir den 2.980 Meter hohen Gipfel des Pischahorns. In solch steilem Gelände müssen Spitzkehren absolut sicher beherrscht werden. Milde Temperaturen und uneingeschränkte Fernsicht laden uns für kurze Zeit zum Verweilen ein.

Nun geht es endlich in die Abfahrt. Mit Blick auf die Bernina Gruppe, Silvretta und Piz Kesch genießen wir die ersten Schwünge in Richtung Mönchalp. Kurze steilere Rinnen wechseln sich mit breiterem Gelände ab. Im oberen Teil der Abfahrt haben wir noch mit Bruchharsch zu kämpfen, umso weiter wir abfahren umso besser werden die Schneeverhältnisse. Zurück in Kloster können wir nun auf einige geniale Schwünge im besten Frühjahrsfirn zurückblicken. Nun sind wir hungrig - auf mehr.

Regentropfen prasseln auf das Dach unserer Unterkunft in Klosters. Der Wecker klingelt bereits zum zweiten Mal, als wir endlich die Motivation finden aus dem Bett zu steigen. Ja, der vierte Tag der Fischer Transalp 2022 startet ernüchternd und noch dazu mit bereits mehr als 4.000 Höhenmetern in unseren Beinen.

Heute wollen wir die Silvrettahütte auf 2.337 Meter erreichen. Ist dies bei den aktuellen Bedingungen überhaupt möglich? Unsere Bergführer wissen es nicht genau.

Von Monbiel tragen wir unsere Ski zwei Kilometer bis wir die ersten Schneereste erreichen. Mittlerweile hat die Sonne die dichten Regenwolken durchdrungen und am Talende, dass den seltsamen Namen Usser Rüchi trägt, hat es gefühlte 30 Grad - plus.

Wir queren in ein schneegefülltes Bachbett. Von hier geht es über unzählige, steile Spitzkehren in Richtung Galtürtälli. Trotz der Anstrengungen ist die Stimmung gut. Es scheint, als ob wir unser Tagesziel erreichen würden.

Doch plötzlich verdichtet sich der Himmel erneut. Der Wettkampf gegen die Zeit beginnt. Als die ersten Schneeflocken fallen erreichen wir die Silvrettahütte! Für diese Nacht finden wir hier Schutz, doch der Wetterbericht für morgen verheißt nichts Gutes.

Hüttennächte sind immer ein Highlight bei der Fischer Transalp. Gemütliches Stubenambiente, oftmals besonderes Essen – nebenbei schläft man in den berühmten Massenlagern in der Regel nicht sonderlich gut. So ist es auch dieses Mal auf der Silvrettahütte auf 2.341 Meter und daher hält sich der Gesprächsbedarf beim Frühstück noch in Grenzen.

Wir haben heute Großes vor. Der Silvrettagletscher liegt direkt vor unserer Haustür und soll uns den Weg zurück nach Österreich weisen. Auch das Wetter scheint mit unserem Plan einverstanden zu sein. Wenn mir gestern Abend jemand gesagt hätte, dass wir heute bei Sonnenschein über den Silvrettagletscher marschieren würden – ich hätte es nicht geglaubt!

Die Egghornlücke soll unser „Schlupfloch“ nach Österreich werden. Die letzten einhundert Höhenmeter sind steil. Peter, unser Bergführer spurt voran. Nach wenigen Schritten ist jedoch Schluss. Der windverfrachtete Triebschnee der letzten Nacht macht diese Flanke heute zu gefährlich.

Wir versuchen es also doch über den Silvrettapass und über den anschließend steilen Sattel, der den Namen Fuorcla dal Cunfin trägt und uns auf 3.043 Meter führt. Die letzten 50 Meter sind so steil, dass wir unsere Ski am Rucksack befestigen müssen. Oben angekommen peitschen uns Windböen mit bis zu 70 Kilometer pro Stunde ins Gesicht. Schnell weg hier!

Endlich wieder österreichischen Boden unter den Füßen, fahren wir über den teils mächtigen Ochsentaler Gletscher zur Wiesbadener Hütte auf 2.443 Meter ab. Nach kurzer Stärkung beginnen wir den letzten Aufstieg. Das Wetter verschlechtert sich und erschwert die Wegfindung - doch wir schaffen es. Um 15:00 Uhr erreichen wir nach einem langen Tag erschöpft Galtür.

Der letzte Tourentag der elften Fischer Transalp 2022 bricht an. Schneefall hat über Nacht die Landschaft vor unserem Hotel weiß eingefärbt. Der Wind weht mit Böen von bis zu 70 Kilometern pro Stunde. Beim Frühstück treffen wir die Entscheidung unsere geplante Route zu verwerfen. Schließlich wollen wir heil und gesund am Nachmittag in St. Anton ankommen und auf eine erfolgreiche Transalp zurückblicken. Gerade an einem so geschichtsträchtigen Ort wie Galtür, hat Sicherheit die oberste Priorität.

Darum nutzen wir heute im Aufstieg die Kappler Bergbahnen um das 2.605 hohe Lattejoch zu erreichen. Trotz des eiskalten Schneesturms der dort oben herrscht, ist die Stimmung gut. Luka spielt auf seinem Smartphone Musik ab. Alle nicken zum Rhythmus, auch wenn dies durch das Sausen des Windes nur bedingt gleichmäßig möglich ist.

Vom Lattejoch führt uns eine steile Flanke in das Malfontal. Die letzte Abfahrt der Transalp 2022 beginnt. Der frische Pulverschnee der letzten Nacht macht diese zum krönenden Abschluss einer unglaublich genialen Skitourenwoche. Die letzten Meter nach St. Anton legen wir zu Fuß zurück, hier gibt es keinen Schnee mehr. Wir sind stolz diese „Gewalttour“ von St. Moritz nach St Anton am Arlberg gemeistert zu haben. 100 Kilometer und 7.000 Höhenmeter! Kälte, Sturm, Schweiß, Sonnenschein, neue Freundschaften, atemberaubende Bergpanoramen – all das und vieles mehr.

Vielleicht erlebst du ähnliches, wenn es nächstes Jahr heißt - Fischer Transalp 2023.